Wilhelm W. Reinke
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Jede Chance hat ihr Gesicht

OSTSEE ZEITUNG /// Dienstag, 1. Juli 2008 Nr. 152/ 56. Jahrgang, „kultur/medien“, Seite 21.

Mit dem Auge des Fotografen
Wilhelm W. Reinke brilliert auf Bühnen und mit Bildbänden. Er fotografiert Prominente und Namenlose.

Rostock (OZ) Die Wände von Wilhelm Reinkes Badezimmer hängen voller kleinformatiger Fotos. Eine brünette Frau in unterschiedlichen Posen, nackt. Wer die Bilder studiert, bekommt einen Eindruck davon, wie viel Arbeit es bedarf, eine Aktaufnahme zu machen. Etliche der Bilder hat Reinke mit schwarzem Filzstift bearbeitet, Verbesserungen angebracht.
„Vieles würde ich so heute nicht mehr machen“, kommentiert Reinke seine Korrekturen. Auch nebenan in der Küche der kleinen Wohnung im Rostocker Hanse-Viertel hängen die Wände voller Abzüge. Weitere Aktbilder, dazwischen auch Bilder, die Wilhelm W. Reinke zeigen. Ein mittelgroßer Mann mit streng nach hinten gekämmten Locken. Privat in seiner Küche trägt er Polo Hemd, auf den Fotos Frack. Das sind seine zwei Leidenschaften: Fotografie und Theater. Leidenschaften, die ihn mit etlichen Prominenten zusammenführte. Mit Peter Ustinov, Yehudi Menuhin, mit Armin Mueller-Stahl oder Heinz Rühmann. Sie und viele andere finden sich in Bildbänden, auf Buch- oder CD-Covern – konsequent in Schwarzweiß fotografiert von Wilhelm W. Reinke. Und auch die Theaterbühne ist ihm nicht fremd – heute ist er mit einem Loriot-Programm in der Kleinen Komödie Warnemünde zu sehen.
Was treibt einen wie Wilhelm W. Reinke nach Rostock? „Ich bin Wahlberliner“, sagt er und lacht. Reinke ist Künstler auf der einen Seite, Sozialarbeiter auf der anderen. Vor vier Jahren kam er an die Ostsee, um an der CJD Christophorusschule mit hochbegabten Jugendlichen zu arbeiten. Reinke, geboren 1963, besuchte selber eine CJD-Schule in Braunschweig, wo er auch studierte – Kunst und Deutsch auf Lehramt, dazu freie Kunst. Heute organisiert er Foto- und Theaterkurse für Schüler und arbeitet mit ihnen im Internat. Seine Freizeit verbringt er meist in Berlin. Die Liebe zur Fotokunst wurde während des Studiums in Braunschweig geweckt. Nach Versuchen in der Malerei fand er in der Fotografie sein perfektes Medium. 1992 veröffentlichte er sein erstes Fotoband „Dank des Künstlers“. Bilder von Darstellern oder Musikern auf der Bühne während des Applauses. Doch Reinke beließ es nicht bei den Aufnahmen, sondern forderte von jedem einen Text zu dem Thema an. Gerhart Polt, Ute Lemper, Willy Millowitsch oder auch Milva beantworteten seinen Fragebogen.
Konzeptarbeit ist seither das Prinzip der Bücher von Wilhelm W. Reinke – sei es, dass er Prominenten-Gräber fotografiere und die jeweiligen Begräbnisse und Todesursachen nachrecherchierte, sei es, dass er für sein „Akt-Zitate“ Menschen passend zu Geschichten suchte. Zu ganz großer Form lief er mit „Das Auge des Künstlers“ (1995) auf. Dafür entstanden legendäre Aufnahmen von Berühmtheiten, wie die von Menuhin, der sich die Finger in die Ohren steckt. Auch zu diesen Aufnahmen stellte Reinke Texte – acht Fragen, die er sich von den Portraitierten beantworten ließ. „Fotografie ist Psychologie“, sagt Reinke. „Man muss mit den Leuten können, man muss mit ihnen ins Gespräch kommen“, sagt Reinke.
Mit den Leuten ins Gespräch kommen – das ist Reinkes elementares Interesse. Dazu passt ein aufwendiger Bildband: „Jede Chance hat ihr Gesicht“ (2008) zeigt anrührende Porträtaufnahmen von Jugendlichen mit teils schwieriger Vergangenheit, darunter auch einige aus Rostock. Flankierend erzählen anonymisierte Geschichten von den Schicksalen der jungen Leute.
Wer mit den Menschen gut auskommen will, muss sich Zeit für sie nehmen. Gerade fertig ist Reinkes neuer Band mit dem Titel „Berliner Augenblicke“. Zehn Jahre arbeitete er daran. Er zeigt Fotos von George Tabori, Heinz Berggruen, Vicco von Bülow, Richard von Weizsäcker oder Marcel Reich-Ranicki. Kommendes Jahr erscheint der Band zur Frankfurter Buchmesse im Gerstenberg Verlag und es wird dann im November 2009 eine große Ausstellung im Museum für Kommunikation in Berlin geben.

MATTHIAS SCHÜMANN